Adele ist eine der wenigen Sängerinnen, bei der man die Wirkung ihrer Stimme sogar sehen kann. Dafür muss man sich nur ein paar Videos ihrer Show in der Royal Albert Hall aus dem Jahr 2011 anschauen. Da sieht man Menschen, die selig mit offenem Mund auf die Bühne starren. Paare, die bei ihren Refrains nicht voneinander lassen können. Gestandene Kerle, die in Tränen ausbrechen. Bei „Someone Like You“, einem ihrer größten Hits, singt dann sogar das komplette Publikum den Refrain – wie auf einer Messe der Liebenden und Verletzten. Was dann am Ende auch Adele zum Weinen bringt.

Auch wenn sie sich die letzten Jahre zurückgezogen hatte, knapp sechs Jahre von der Bildfläche verschwunden war, sich um ihren Sohn kümmerte und von ihrem Mann trennte, ist die Liebe zu ihrer Musik und ihrer zugleich bodenständigen und überirdischen Erscheinung kaum abgeklungen. Adeles Comeback-Single „Easy On Me“, eine ergreifende Botschaft an ihren inzwischen neunjährigen Sohn, brach Klickrekorde.

Am 12. Januar erschien das offizielle Musikvideo zum Song „Oh My God“ und bahnte sich sogleich einen Platz in die YouTube Musiktrends. Mit Videoregisseur Sam Brown entstand bereits 2010 das Video zu „Rolling in the Deep“, welches heute knapp 2 Milliarden Aufrufe zählt. Wie schon vor 12 Jahren lässt das neue Ergebnis der bewehrten Zusammenarbeit viel Raum für Interpretation: Tänzer und Akrobaten vollführen energetische Choreografien – mal befreit, mal voller Emotionen. Der Zwiespalt, der hier widergespiegelt wird, ist auch in den Lyrics sehr präsent: Es geht darum sich jemandem hinzugeben, weil es Spaß macht oder sich gut anfühlt, obwohl man weiß, dass es falsch ist. Zum Schluss des Videos beißt Adele in einen Apfel, welcher von Anfang bis Ende in mehreren Bildausschnitten auftritt – die verbotene Frucht aus dem Garten Eden?!

Während der Album-VÖ wurde Adeles Instagram-Live-Fragerunde für Wochen zum Talk-of-the-Internet – weil sie dabei lustig und emotional zugleich war, eben noch ihre Gefühle teilte, um nur wenige Sekunden später wie ein britischer Kesselflicker zu fluchen oder ihren Hund zu ermahnen, nicht schon wieder auf den Teppich zu kacken. Auch über die ersten Interviews, die sie in den letzten Wochen gab, redet die Welt, schreibt die Klatschpresse.

Zudem saß Adele bei Oprah Winfrey auf dem Interviewsessel – ein Treffen zweier Königinnen sozusagen. Dort gab Adele weitere Details zu ihrem neuen Album „30“ preis. Es sei „ihr bisher persönlichstes“, sagte Adele. Und erzählt dann von den turbulenten letzten Jahren und ihrer Entscheidung, ihren Mann Simon Konecki zu verlassen. „Ich nehme die Ehe sehr ernst... und es wirkt so, als würde ich das jetzt nicht mehr tun“, sagte sie. „Es ist fast so, als hätte ich es nicht respektiert, weil ich so schnell geheiratet habe und mich dann habe scheiden lassen. Es ist mir peinlich, dass es so schnell ging.“ Womöglich habe sie aus gutem Willen Signale überhört, sagt sie. „Ich war besessen davon, eine Familie zu gründen, weil ich nie aus einer kam.“ Ihr Vater hatte die Familie verlassen, als Adele zwei Jahre alt war, was sie im Interview „meine größte Wunde“ nennt.

Nach dem Gespräch stellte Adele noch den Song „I Drink Wine“ vor. Adele, die selbst seit einigen Jahren keinen Alkohol mehr trinkt, singt darin über den Fluch und manchmal auch den Segen eines Rausches – der einen am Ende dann doch nicht weiterbringt. Das Lied ist – wen wundert es? – wieder einmal eine großartig gesungene Killerballade. Davon wird „30“ sicher noch eine ganze Menge in petto haben.