- Bildquelle: Paul R. Brown © Paul R. Brown

„Drown every truth in an ocean of lies“ – mit dieser Zeile beginnt die bereits im Spätsommer veröffentlichte Single „Use My Voice“ der amerikanischen Rockband Evanescence, die mit ihrem Debüt „Fallen“ aus dem Jahr 2003 den Durchbruch schaffte. Das Video zu „Use My Voice“ macht mit einem dezenten Kameraschwenk über das Weiße Haus deutlich, wie das gemeint ist. Und es stimmt ja auch: Der Satz trifft die Taktik eines Donald Trump und den Websites, die ihn pushen, sehr gut. Mit dieser Kampfeslust geht es weiter: „Label me bitch because I dare to draw my own line“, singt Amy Lee und weiß vermutlich, dass sie mit diesem Song ein paar Fans vergraulen wird. Immerhin standen Evanescence eher für emotionalen, hymnischen, harten Rock mit Gothic-Einschlag und nicht für explizit politische Statements. Das ist nun anders, wie man „Use My Voice“ anhören kann. Dem amerikanischen Rolling Stone sagte Amy Lee dazu: „Ich habe inzwischen das Selbstbewusstsein, dass die Leute meine Meinung hören sollen.“ Amy Lee bezieht das nicht nur auf ihre Songs: Auch in Interviews und den sozialen Netzwerken kritisierte sie immer wieder Donald Trump, stellte sich der #BlackLivesMatter-Bewegung an die Seite und erzählte von ihren sexistischen Erlebnissen in der Musikindustrie. Zu „Use My Voice“ inspirierte sie vor allem der Prozess um einen sexuellen Übergriff an der Stanford University, wie sie in der Sendung „CBS This Morning“ erzählte. Mit „Use My Voice“ konnten Evanescence bereits eindrucksvoll ein neues Selbstverständnis unterstreichen, persönliche und politische Botschaften in die Texte ihrer Musik aufnehmen zu wollen.  Mit „The Bitter Truth“ erscheint nun ein ganzes Album, welches diesen Weg auch in weiteren neuen Songs konsequent fortführt. Der Titel steht dabei repräsentativ für die Welt, in der wir leben – mit allen seinen negativen Begleiterscheinungen. Mit neuer Musik möchte Frontfrau Amy Lee ihre Zuhörer:innen vor allem daran erinnern, „dass wir uns der Realität stellen müssen; so hässlich und schwierig es auch sein mag. Es muss weiter gehen.“ Ihr Label beschreibt das Album in diesem Zusammenhang als „von Gitarren angetriebene Sammlung von Songs, inspiriert von den Realitäten des 21. Jahrhunderts und dem Zustand unserer Welt.“  Mit „The Bitter Truth“ bewegen sich Evanescence so nah am Puls der Zeit wie nie zuvor und verbreiten dabei vor allem Hoffnung und Mut, sich den Herausforderungen der Gegenwart erfolgreich zu stellen. Neben den auffälligen Veränderungen beim Schreiben der Songtexte, offenbart sich auf dem neuen Album aber auch das musikalische Weiterentwicklungspotential der Band. Das Songwriting beschreibt Amy Lee so: „Ich möchte, dass wir uns niemals wiederholen und unterstütze eine größtmögliche Freiheit während des Schöpfungsprozesses“. Für „The Bitter Truth“ experimentierten Evanescence in verschiedene Richtungen - eine Entwicklung die auf den auch neuen Songs zu hören ist, aber ohne dass der typische Evanescence-Sound dabei verloren geht.
Es ist übrigens das erste Album mit neuen Songs seit fast zehn Jahren, denn „Synthesis“ war ein Album mit neuen Versionen alter Songs. Schön, dass Evanescence also nicht auf der Stelle treten.