Was macht einen Piraten historisch aus?

Der Duden definiert die Piraterie als "gewaltsame Übernahme des Kommandos über ein Schiff, Flugzeug, um eine Kursänderung zu erzwingen, eine bestimmte Forderung durchzusetzen". Alternativ wird sie als "Angriff auf ein neutrales Schiff durch ein Kriegsschiff einer Krieg führenden Macht" verstanden. Kein Wunder, dass die Piraterie eng mit der Kriegs- und Handelsgeschichte verflochten ist. Dabei ist es sinnvoll, zwischen verschiedenen Arten der Piraterie zu unterscheiden: dem Freibeuter, der möglicherweise durch großes persönliches Elend zum Piraten wird, der organisierten Piraterie und dem staatlich geduldeten Kaperwesen.

Geschichte der Piraterie

Die Piraterie ist ein Jahrtausende altes Phänomen, das bis in die Antike zurückgeht. Praktisch alle Seefahrervölker betreiben damals Piraterie, vorzugsweise mit einfachen Ruderbooten in küstennahen Gewässern, wo sie entweder Küstendörfer überfallen oder auch vor Anker liegende Schiffe. Ab 600 v. Chr. ist es dann auch möglich, mit schnellen Galeeren Schiffe auf dem Meer zu verfolgen.

Zur Zeit des Römischen Reichs breitet sich die Piraterie im gesamten Mittelmeerraum aus und wird zur immer größeren Gefahr für den Seehandel. Das veranlasst die Römer, die ihre Lebensmittelversorgung in Gefahr sehen, im Jahr 67 v. Chr. zu einem wahren Seekrieg gegen die Piraten. Dadurch wird das Problem allerdings nur vorübergehend gelöst.

Die Wikinger: Piraten des Mittelalters

Im Mittelalter mausern sich die Wikinger zum Schrecken der Meere. Zwischen dem achten und elften Jahrhundert überfallen sie mit ihren schnellen Langbooten reihenweise mitteleuropäische Küstenstädte, zunächst in England und dann auch in anderen Ländern. Dabei töten sie jeden, der sich nicht sofort in Sicherheit bringen kann und plündern ohne Rücksicht Kirchen, Klöster und andere Heiligtümer. Wer den skandinavischen Piraten nicht zum Opfer fällt, wird gefangen genommen und versklavt. Die Herrschaft der Wikinger über die Meere endet im elften Jahrhundert, als Norwegen, Dänemark und Schweden zu Königreichen und ihre Völker sesshaft werden.

Das Goldene Zeitalter

Das sogenannte Goldene Zeitalter der Piraterie beginnt mit der Entdeckung Amerikas. Die Seestraßen zwischen Europa und dem neuen Kontinent werden zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert massiv von Piraten bedroht, insbesondere rund um die Karibik. Die Südsee gilt als rechtsfreier Raum, in dem die großen Reiche aus Spanien, England oder Frankreich ungehindert ihre Schlachten austragen können. Viele Schiffe haben gar deren Kaperbriefe an Bord und sind als legale Piraten für ihre Auftraggeber unterwegs. Das macht es sehr schwer, sie überhaupt als Piraten zu erkennen.

Aus dieser Zeit stammt auch das heute vorherrschende Bild vom Piraten als romantischer Freibeuter, der sein eigener Herr ist und ein rebellisches Leben jenseits der Regeln der Gesellschaft führt. Auch das Disney-Franchise "Fluch der Karibik" rund um Captain Jack Sparrow geht auf diese Periode zurück.

Der Pirat im Film: Captain Jack Sparrow

Der in bislang vier Filmen von Johnny Depp gespielte Kapitän ist wohl der berühmteste fiktive Pirat unserer Zeit und spiegelt das in Literatur und Film vorherrschende Bild perfekt wider: Depp porträtiert Jack Sparrow als Rum trinkenden, freiheitsliebenden Exoten mit einer gehörigen Portion Verschrobenheit und Abenteuerlust. Zur Darstellung von Piraten in Kinderbüchern zählen außerdem die obligatorische Augenklappe, ein Holzbein, ein gesprächiger Papagei auf der Schulter und ein sagenumwobener Piratenschatz, der an einem geheimen Ort vergraben ist.

Viele Elemente des Piratenmythos haben einen wahren Kern, so ist es in der Tat unüblich an Bord, Wasser zu trinken. Wasser ist im Mittelalter häufig verseucht und kann nur schwer monatelang auf See transportiert werden, sodass Rum und andere alkoholische Getränke die deutlich sicherere Wahl darstellen. Augenklappe und Holzbein sind im Grunde traurige Zeugnisse von Verletzungen aus diversen Schlachten, denn Splitter im Auge oder im Gefecht zerstörte Beine können an Bord nicht behandelt werden.

Berühmte Piraten der Geschichte: Blackbeard

Im vierten Teil von "Fluch der Karibik" hat auch der vielleicht berühmteste Pirat der Geschichte seinen Auftritt: Blackbeard, hier gespielt von Ian McShane. Die historische Figur wird als Edward Thatch vermutlich im Jahr 1680 im englischen Bristol geboren und arbeitet zunächst als Matrose auf Schiffen im Spanischen Erbfolgekrieg. 1717 wird der Hüne, der seinen schwarzen Bart stets lang trägt und so zu seinem Namen kommt, dann selbst Kapitän.

Entlang der US-Ostküste kapert er in kürzester Zeit 15 Schiffe und greift unter anderem New York und Philadelphia an. So steigt er in nur einem Jahr bis zu seinem Tod zu einem der erfolgreichsten Freibeuter auf, obwohl er nur selten Gewalt anwendet. Zu seiner furchterregenden Reputation trägt auch die Gewohnheit bei, sich bis an die Zähne zu bewaffnen und vor Schlachten brennende Lunten in seinen Bart zu binden. Am 22. November 1718 wird Blackbeard durch ein trickreiches Manöver von der britischen Marine nach dem Entern eines Schiffes in der Schlacht besiegt und geköpft. Die Legende besagt, dass sein Körper noch zwei Runden um das Schiff schwimmt, bevor er auf den Meeresgrund sinkt.

Berühmte Piraten der Geschichte: Klaus Störtebeker

Ganz besonders in Norddeutschland kennt wohl jedes Kind den Namen Klaus Störtebeker. Obwohl nur wenige historische Fakten belegt sind, wird er vermutlich 1360 in Deutschland geboren und erstmals 1394 in Schriftstücken genannt, die ausgeraubte Schiffe des englischen Königs Heinrich IV. beklagen. Ganze vierzehnmal wird der berüchtigte Pirat erwähnt, der zu der Zeit mit den Vitalienbrüdern, Verbündeten des schwedischen Königs und ausgestattet mit einem offiziellen Kaperbrief, in Nord- und Ostsee auf Beutezug geht. 

Nach dem Friedensabkommen von 1395 handeln die Freibeuter rund um Störtebeker auf eigene Faust und teilen als "Likedeeler" die Beute zu gleichen Teilen untereinander auf, ihre Anführer wählen sie selbst. Am 22. April 1401 geht Störtebekers Schiff der Legende nach durch einen Spitzel, der flüssiges Blei ins Steuerruder gießt, dem Hamburger Schiff Bunte Kuh ins Netz. Am 21. Oktober wird der Pirat mit 72 Gefährten auf dem Grasbrook in Hamburg gehängt. Es heißt, Störtebeker schreitet ohne Kopf noch an elf Männern vorbei, bevor der Henker ihm ein Bein stellt.

Piraterie heute

Die Piraterie heute hat nichts mehr mit dem Bild des Piraten aus dem Goldenen Zeitalter zu tun, auch wenn sie größtenteils noch in den gleichen Gewässern wie damals stattfindet. Stark gefährdet sind die Küsten vor Südamerika und Afrika sowie generell Meeresengen oder schmale Passagen zwischen Inseln. Hier müssen die großen, schweren Schiffe sehr langsam werden und sind daher leichte Beute für die Piraten in ihren Schnellbooten. Ihr Interesse gilt im Gegensatz zu früher meist nicht mehr der Ladung, sondern den Tresoren an Bord mit Bargeld für Gehälter und Hafengebühren.

Der Kampf gegen die Piraterie heute ist nach wie vor ein brisantes Thema. Da die Wasserpolizei überfordert ist, sind viele Reeder dazu übergegangen, sich selbst zu schützen. Manche Schiffe besitzen eine teure Alarmanlage oder eine spezielle Piratenwache in gefährlichen Gebieten. Im Piraterie-Report des "Piracy Reporting Center" in Kuala Lumpur sind für das Jahr 2015 auf der ganzen Welt 246 Überfälle durch Piraten vermerkt.

Fazit:

Das Bild des Piraten hat sich in rund 3.000 Jahren stark gewandelt, dabei ist der in Film und Fernsehen vorherrschende Typ immer noch derselbe wie im Goldenen Zeitalter der Piraterie. Augenklappe, Holzbein, Rum und Papagei bilden die Grundlage für romantische Legenden und stehen für Freiheit und Abenteuer. Die reelle Gefahr durch Piraten ist jedoch nur noch in speziellen Gegenden ein Problem.