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Der letzte Zar wird geboren

Als Nikolaus Alexandrowitsch Romanow am 18. Mai 1868 im Alexanderpalast nahe St. Petersburg zur Welt kommt, herrscht seine Familie schon seit rund drei Jahrhunderten über Russland. Er wächst mit fünf jüngeren Geschwistern abgeschottet von der Außenwelt im Palast auf, genauso wie er es später mit seiner eigenen Familie handhaben wird.

Als „Nicky“, wie er in der Familie genannt wird, zwölf Jahre alt ist, kommt sein Großvater, Zar Alexander II., bei einem Attentat ums Leben. Sein Vater besteigt als Alexander III. den Thron und macht seinen Erstgeborenen zum Zarewitsch, also Thronfolger.

Zar Nikolaus II. kommt an die Macht

1894 ist ein bedeutsames Jahr für Nikolaus: Nicht nur, dass er seine große Liebe, Prinzessin Alix von Hessen-Darmstadt, ehelicht, nach plötzlicher Krankheit und dem Tod seines Vaters übernimmt er mit 36 Jahren auch das Zepter. Sein autokratischer Regierungsstil ist im Wesentlichen der seines Vaters. Reformen lehnt er ab, die industrielle Revolution will er nicht wahrhaben, Widerstand lässt er gewaltsam beenden und seine politischen Gegner der Opposition durch die Geheimpolizei bespitzeln.

Wohler als auf dem Thron fühlt sich Nikolaus im Kreis seiner Familie. Mit Gattin Alix, die ihn zu einem Vetter des deutschen Kaisers Wilhelm II. macht, bekommt er vier Töchter und einen Sohn: Olga, Tatjana, Maria, Anastasia und den Nachzügler Alexej. Letzterer ist es, der der Familie besondere Sorgen bereitet, denn er leidet er an der Bluterkrankheit. Dabei ruhen große Hoffnungen auf dem Thronfolger und er wird von seinen Eltern behütet und von einem Arzt zum Nächsten geschleppt.

Die Russische Revolution 1905

In der Zwischenzeit wächst der Druck auf den Monarchen, der beim Volk durch seine Unnahbarkeit weiterhin unbeliebt bleibt. Während Arbeitslosigkeit und Armut der Bevölkerung zu schaffen machen, lebt der Zar mit seiner Familie und rund 1.000 Angestellten im Luxus des Alexanderpalastes, sie besitzen Gold und Juwelen im Überfluss. 1905 kommt es zur ersten Revolution, bei der Arbeiter und Bauern versuchen, Nikolaus II. zu stürzen. Die Proteste lässt er brutal beenden, geht jedoch im Anschluss einen Kompromiss ein und stimmt der Gründung der ersten gewählten Volksvertretung, der Duma, zu. In den folgenden Jahren ändert sich jedoch wenig, nach Belieben löst der Zar die Duma auf, wenn sie in seinen Augen unangemessene Entscheidungen trifft. Auch die Not in der Bevölkerung wird nicht kleiner.

Der Erste Weltkrieg

Der Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 verschlimmert auch die Lage in Russland drastisch, als die Lebensmittelproduktion stagniert und die Preise steigen. Trotz des verwandtschaftlichen Verhältnisses von Nikolaus mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II. stehen Deutschland und Russland auf zwei verschiedenen Seiten: Wilhelm II. steht an der Seite von Österreich-Ungarn, während Nikolaus II. fest zu Serbien hält und Verbündeter von Frankreich und Großbritannien wird.

Während Russland quantitativ gut aufgestellt ist und viele Soldaten hat, mangelt es an der Qualität, vor allem in Sachen Ausrüstung. 1915 begeht der Zar einen entscheidenden Fehler: Er lässt sich zum Oberbefehlshaber der Truppen erklären, fortan wird jede verlorene Schlacht ihm persönlich zugeschrieben. Hunderttausende Soldaten lassen ihr Leben im Ersten Weltkrieg und die Unzufriedenheit im Volk erreicht ihren Höhepunkt. Streiks, Demonstrationen und Proteste im ganzen Land sind die Folge.

Die Februarrevolution 1917

Am 8. März 1917 (damals galt in Russland noch der um 12 Tage versetzte julianische Kalender, weshalb heute noch die Rede von der Februarrevolution ist) eskaliert der Konflikt zwischen Aufständischen und Soldaten. Als der Zar befiehlt, die Demonstranten zu erschießen, weigern sich erste Soldaten, den Befehl auszuführen und solidarisieren sich stattdessen mit den Arbeitern.

Am 15. März bildet sich eine vorläufige Regierung und Nikolaus II. hat keine Wahl, als abzudanken. Er tritt zurück, um seinem Bruder Michail den Thron zu überlassen, doch dieser erkennt die Zeichen der Zeit und verzichtet schon einen Tag später. Das Ende der Zarenzeit in Russland ist gekommen.

Die Zarenfamilie wird am 1. August 1917 nach Tobolsk in Sibirien deportiert. Die Gefangenschaft ist allerdings sehr human. So müssen Nikolaus, seine Ehefrau und die fünf Kinder auf keine Annehmlichkeiten verzichten. Unterdessen ergreifen drei Monate später Lenins Bolschewisten die Macht, was überraschend unblutig vonstattengeht. Dies ist jedoch nur der Auftakt zum russischen Bürgerkrieg, der im Dezember beginnt und zwischen den zarentreuen „Weißen“ und Lenins „Roten“ stattfindet.

Der Tod der Zarenfamilie

Im kommenden Jahr wird die Situation für die Zarenfamilie brenzliger, als sie nach Jekaterinburg am Ural gebracht wird und Offizier Jakow Jurowski das Kommando in ihrem Gefängnis übernimmt. Am 16. Juli 1918 wird die schlafende Familie samt ihrer engsten Bediensteten geweckt und unter einem Vorwand in den Keller gebracht. Wie sich später herausstellt, handelt Jurowski auf direkten Befehl Lenins hin.

Nikolaus II. wird zuerst erschossen, dann folgen seine Frau, die Kinder und die Angestellten – elf Erwachsene und Kinder werden brutal hingerichtet. Doch damit nicht genug: Im Anschluss werden ihre Leichen nach draußen geschafft, zerstückelt und verbrannt. Erst 1991, mehr als 70 Jahre später, werden ihre Überreste gefunden und bestattet. 2000 werden die Romanows von der orthodoxen Kirche heiliggesprochen und noch heute von einem Großteil der Bevölkerung verehrt. Zum 90. Jahrestag der Ermordung Nikolaus' II. und seiner Familie fanden sich in Jekaterinburg 30.000 Menschen am damaligen Tatort zusammen.

Fazit

Zar Nikolaus II. besteigt als letzter Monarch Russlands im Jahr 1894 den Thron und regiert ganz im Stil seines autokratischen Vaters. Seine unnahbare Art und die Weigerung, die Probleme in der russischen Bevölkerung anzuerkennen, führen zu Unzufriedenheit und Aufständen, die 1905 einen ersten Höhepunkt finden. Angeheizt durch die Verluste im Ersten Weltkrieg kommt es 1917 zur berühmten Februarrevolution, in deren Folge Nikolaus II. gezwungen wird, abzudanken und das Ende der Zarenzeit zu besiegeln. Er und seine Familie werden 1918 auf Befehl Lenins hin erschossen, ihre Überreste kommen erst 1991 wieder zutage.